Die Geschichte von König Pipo

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"Ach ja!" seufzte der liebe, gute König Pipo und trocknete die Kaffeekanne mit seinem gestickten Taschentuch ab. "Ach ja!" seufzte er und hatte wahrlich allen Grund, "Ach ja!" zu seufzen. Oder ist das etwa kein armer König, der mit aufgekrempeltem Hermelinpelz in der königlichen Küche stehen und Geschirrabwaschen muß? Und nicht einmal ein Geschirrtuch besitzt, um seine einzige Tasse, seinen einzigen Teller und seine Kaffeekanne (deren Henkel übrigens schon lange abgebrochen war) abzutrocknen?

"Ach ja!" seufzte er, als er mit dieser Arbeit fertig war, nahm einen Besen und ging in den Thronsaal, um ihn auszufegen. Wißt ihr auch, was es heißt, so einen riesengroßen Thronsaal auszukehren, der so lang ist, dass man einen Operngucker nehmen muß, um das andere Ende zu sehen? Unser armer König Pipo weiß ein Lied davon zu singen! Immer, wenn er ungefähr bei der Mitte des Saales angelangt war und schon einen recht großen Haufen Kehricht vor sich liegen hatte, kitzelte ihn der Staub so sehr in der Nase, dass er niesen mußte: "Hatschi!" - und weg war der ganze Mist, Pipo konnte wieder von vorne beginnen.
"Ach ja!" und was heute noch alles getan werden sollte! Der Wetterhahn auf dem Türmchen seines Schlosses mußte geölt werden (er quietschte schon so laut, dass Pipo des Nachts keine Auge zumachen konnte), den Baldachin über seinem Bett hatte er zu flicken, weil der Mond schon so unverschämt durch das Loch auf ihn herunterguckte, zwischendurch durfte man nicht vergessen, den Milchreis umzurühren, damit er nicht anbrannte - "Ach ja", es gab schrecklich viel zu tun!

Wieso der arme König Pipo alles selber tun mußte und so gar keinen Hofstaat hatte? Ja richtig, das muß ich euch noch erzählen: Vor einigen Jahren war Pipo noch ein reicher, mächtiger König, mit Truhen voll eitlen Goldes, prunkvoll eingerichteten Sälen und Zimmern, kostbaren Teppichen und einer großen Schar des besten Dienstpersonals. Er besaß eine eigene Köchin für Zwetschgenknödel, eine für Apfelstrudel, und wenn es Schinkenfleckerl gab, ließ er eigens einen Koch aus dem Nachbarkönigreich kommen, denn der konnte sie am besten. Damit die Abende lustiger seien, hatte er einen Mann, der ihm auf dem Kamm die schönsten Lieder vorblasen mußte (dazu ist nicht jeder zu brauchen, weil die meisten das Seidenpapier sehr an den Lippen kitzelt!), ja sogar einen Nasenputzer hatte er, so reich war König Pipo!

Nun besaß aber der liebe, dicke König ein gar zu weiches Herz. Er mochte nicht sehen, wenn es anderen Leuten schlechter ging als ihm und so verschenkte er nach und nach sein ganzes Hab und Gut: seine prächtigen Möbel, seine glitzernden Juwelen, sein Gesinde - zuletzt hatte er nur noch den Nasenputzer bei sich, und als er einmal auf der Zugbrücke ein kleines Bübel sitzen sah, von dessen Nase es verdächtig feucht heruntertropfte, verschenkte er auch diesen.

Seit damals wohnte er mutterseelenallein in seiner leeren Burg und hatte nichts als sein Bett, ein ganz klein wenig Hausrat, den Hermelin auf den Schultern, die Krone auf dem Kopf und das Zepter in der Hand.

Während also Pipo wieder einmal den Milchreis umrührte, hörte er jemanden von unten herauf "Hänschen klein..." pfeifen. Er stürzte freudig ans Fenster und sah tief unten auf einer sonnenüberfluteten Blumenwiese fröhlich einen Maler sitzen, der, ein Zeichenbrett zwischen den spitzen Knien, Pipos Burg abkonterfeite. Er bat den Malersmann zu sich herauf, lud ihn ein, bei dem süßen Reisbrei mitzuhalten, und alsbald saßen die beiden, lustig schmatzend, bei Milchreis und Himbeersaft. Natürlich hatte Pipo nur zu bald seine Geschichte erzählt und klagte dem langen, mageren Pinseltopf (so hieß nämlich der Maler) seine Einsamkeit und dass er nun, so arm geworden, natürlich keine Königin finden könne.

"Ja, weißt du denn gar niemanden, den du ein bißchen liebhaben könntest?" fragte der Maler und rieb dabei seine spitze Nase. "Ooh, jaah, das schon!" rief Pipo begeistert. "König Pipi, der rechts von meinem Königreich wohnt, hat eine wunderwunderschöne, liebe Tochter: Prinzessin Pipinella! Aber ich kann die beiden doch nicht einmal einladen in mein so gähnend leeres Schloß!" - "Ja, das ist wahr", meinte Pinseltopf und zupfte mit seiner rechten Hand an seinem linken Ohr - das war aber ein Zeichen, dass er nachdachte. Und schon nach kurzer Zeit hatte er eine prächtige, köstliche Idee!

Nun gab es erst recht Hände voll zu tun: der kleine König mußte seine Krone mit Schmirgelpapier putzen, im Burghof die große Bettdecke klopfen (aber vorsichtig, sie war schon sehr morsch!), mit der langen Leiter die Spinnweben aus den Ecken wischen - und was weiß ich noch alles! Pinseltopf aber bemalte die leeren Wände mit prachtvollen Möbeln, geschliffenen Spiegeln und seidenen Vorhängen. Das ganze Schloß wurde so auf das kostbarste "eingerichtet" - König Pipo war vor Entzücken ganz aus dem Häuschen. Dann schrieb der Maler eine mit vielen hübschen Schnörkseln gezierte Einladung an König Pipi und Prinzessin Pipinella, und wirklich, eines sonnigen Nachmittags kamen die beiden in Begleitung von einigen Ministern auf Besuch.

Pinseltopf stand hoch ober auf den Zinnen der Burg, als Herold verkleidet, und blies dreimal in die Fanfare. Dann rannte er, so schnell ihn seine langen Beine trugen, die 384 Stufen der Wendeltreppe hinunter (wobei er sich im Laufen noch umziehen mußte) und öffnete, nachdem er die Zugbrücke rasselnd heruntergelassen hatte, mit einer tiefen Verbeugung den Gästen die Pforte der Burg. Dann hieß es wieder, schnell voranlaufen, um sich (als Hofmarschall kostümiert) neben König Pipo aufzustellen. Zum Glück sah niemand, dass Pinseltopfs Marschallstab nur ein umgedrehter Kochlöffel war.

Oh, der Schwierigkeiten gab es noch gerade genug! Der arme Maler kam gar nicht nach mit dem Umziehen: gleich mußte er als Diener in Pipos zwei einzigen Gläsern Getränke reichen (Wein hatte man natürlich keinen, so brachte Pinseltopf das farbige Wasser, in dem er seine Pinsel ausgewaschen hatte - es merkte aber keiner!), dann mußte er wieder als Minister seine Meinung über die königliche Mühlbachflottille abgeben, zwischendurch die Palatschinken in der Küche umdrehen - das gab eine Arbeit! Aber glaubt nicht, dass Pipo viel besser dran war. Während er, scheinbar lustig plaudernd mit seinen Gästen im Thronsaal auf und ab ging, mußte er schrecklich aufpassen, dass keinem der Anwesenden am Ende einfallen würde, sich auf einen der gemalten Stühle zu setzen, und als Pipo laut: "Ha!" (wobei der Minister erschreckt zusammenfuhr). "Ha.. Haben Sie schon den neuesten Witz gehört?" Und dann erzählte er einen Witz, über den Pipi so lachen mußte, dass die gemalten Vorhänge teilweise herunterbröckelten.

Alles ging in schönster Ordnung. Pipi war von Pipo begeistert - nicht zuletzt von der prachtvollen Ausstattung seines Schlosses - und gerne bereit, ihm seine Tochter zur Frau zu geben. Nun, und Pipinella selbst? Ja, die liebe Prinzessin hatte (als sie ein gemaltes Kätzchen streicheln wollte) als einzige erkannt, dass der ganze Reichtum nur Schwindel war, aber ihr gefiehl König Pipo so sehr, dass sie kein Wort von ihrer Entdeckung sagte und nur selig nickte, als Pipo sie schüchtern fragte, ob sie seine liebe Gemahlin werden wolle.

Hei, das war eine Hochzeit! Es gab Wiener Schnitzel mit Mayonnaisesalat, Krapfen, Schaumrollen, Himbeerkracherl, Vanilleeis - ich könnte ja gar nicht fertig werden mit dem Aufzählen! Die Mitgift der hübschen Braut war sehr, sehr groß. Pipo verschenkte zwar wieder einen Großteil davon, aber es blieb noch immer genug, dass das liebe Königspaar und sein erster Minister Pinseltopf nebst einem bescheidenen Hofstaat, ein glückliches Leben führen konnten.

Und wenn sie alle nicht nur von unserem Onkel ABC erfunden worden wären, könnten sie vielleicht heute noch leben!

Ja, liebe Kinder, und nun könnt ihr sicherlich verstehen, warum wir unsere Kinderwelt nach König Pipo benannt haben.

Eure Familie Brunner